Alle Erlebnisse einer solchen Reise in einen kurzen Bericht pressen zu wollen ist schier unmöglich. Ich will versuchen, wenigstens einige Schlaglichter zu werfen.
Der erste Törn in diesem Jahr führte wie bereits beschrieben mit Crew rund Bornholm. Der zweite über drei Wochen mit meinem Enkel in die Stettiner und Wolliner Gegend, hauptsächlich der Reparaturen wegen. Schließlich sollte ein Schiff zu Reisebeginn in Topzustand sein.
Warum also jetzt St.-Petersburg?
Ja, der liebe Ehrgeiz. Erst dachte ich nach Russland brauchst du nicht, kennst doch die ganze Ostsee von Helsinki bis zu den Lofoten. Kein nennenswerter Hafen ringsum, wo unser Clubstander noch nicht wehte. Doch dann dachte ich mir, warum nicht bevor du 80 wirst auch noch den letzten Zipfel östlich von Tallinn erforschen? Also reine Selbstbestätigung. Der Mensch wächst bekanntlich mit seinen Aufgaben. Zwar bin ich paar Pfund leichter, aber nach dieser Saison gefühlsmäßig wieder ein Jahr jünger geworden. Am 14. Juli musterte mein halbspanischer Hand-gegen-Koje-Mitsegler an, den ich vorher kennenzulernen leider keine Möglichkeit hatte.
Nun ja, deutsche und spanische Lebensweise sind zwei ganz verschiedene Dinge und außerdem: Zwei Kapitäne an Bord ging noch nie gut.
So war ich denn heilfroh, daß er am 2. Tag in St. Petersburg heimlich wie man so sagt „achteraus-gesegelt“ ist.
Witterungsmäßig war alles drin, von 0 – 7 Windstärken, glücklicherweise nie direkt von vorn. Eingeweht waren wir nie. Ruhetage wurden nur freiwillig eingelegt. Trotzdem gab es hinzu viel Motorunterstützung mit dem Nebeneffekt, daß wir am Ende zwei Tage Planvorsprung hatten. Leider mußte ich davon über einen halben Tag lang vertrödeln, um mit dem Bordrad kreuz und quer durch die Straßen zu radeln auf der Suche nach einem Stomatologen (Zahnarzt), der mich von meinen fürchterlichen Schmerzen befreite.
Die Polnische Küste bis Hel ist genau wie in der Pommern-Hymne beschrieben. Erst danach ändert sich der Landschaftscharakter etwas. Die einzige geplante Nachtfahrt war der Sprung von Wladyslawowo nach Klaipeda. Auch wenn die Tagestörns mal länger ausfielen, die Nächte waren zu der Zeit ja hell. Weiter über Liepaja, Ventspils, die Insel Saaremaa nach Tallinn, was früher von Sportbooten nicht direkt angelaufen werden durfte und heute eine supermoderne Marina hat. Die Häfen im Baltikum haben sich seit meinem ersten Besuch alle sehr gemausert, leider auch was die Liegegelder betrifft. Sie liegen zwischen 20 und 32 Euro/Nacht. Vom letzten Estnischen Hafen, wo wir hätten ausklarieren müssen (das muß ein Betrieb für Strafgefangene gewesen sein) bis St. Petersburg gibt es keine Möglichkeit zum Einklarieren. So haben wir uns illegaler Weise auf halbem Weg in eine stille Bucht vor Anker gelegt. Der russische Grenzschutz hatte uns aber immer im Radar und öfters nach unserem woher, wohin und unserer Position gefragt. Anderentags früh um 2 Uhr machten wir in Kronstadt, der alten Festung vor St. Petersburg, fest. Dort ist aber entgegen dem Hafenhandbuch der Kreuzerabteilung keine Einklarierung mehr. Über UKW Kanal 67 wurden wir dann sehr freundlich mit Kursangaben zum Ziel geleitet. Einklariert wird neuerdings direkt am Passagierkai, wo die großen Kreuzfahrtschiffe festmachen.
Aber jetzt geht’s los:
Noch ein Papier und noch eins und noch eins und noch eins bei der Grenzbrigade. Du denkst du bist fertig, denkste. Jetzt geht’s zu den Customers (Zoll). Der gleiche Bürokram: Noch ein Papier und noch ein Papier und noch eins und noch eins. Selbst bei der Ausreise mußte ich für mich alleine eine Crew-List ausfüllen. Auch mußt du dich hier schon schriftlich entscheiden, in welchem der beiden großen Sportclubs du festmachen willst und dazu verpflichten diesen vor der Abreise nicht zu verlassen. Ein bisschen hat mich das doch an Sowjetzeiten erinnert. Was sind wir da doch in unserem geeinten Europa mit Reisefreiheit verwöhnt.
Entlang der Finnischen Küste bis zu den Alandinseln ein ähnlicher Schärengarten wie vor Stockholm. Es ist traumhaft, sich abends eine stille Bucht zu suchen und die Nacht vor Anker in absoluter Ruhe zu genießen. Bis zum Eintreffen der nächsten Crew am 8. September 2012 in Rönne konnte ich mir auf Grund meines Planvorsprungs Zeit nehmen und ohne Motorlärm segeln. Mit einer Besatzung wie ich sie mir immer wünschen würde, ging es dann nicht nach Polen wie geplant, sondern mehr nach dem Wind. Zuerst Kaseberga Fisch kaufen, gleich weiter in den neuen Hafen von Ystad. Die nächsten Tage dann Klintholm – Sassnitz – Dievenow. Tagestörn nach Camin (ca. 180 Optis tummelten sich dort) und über Swinemünde nach Hause, wo uns dieser zu Herzen gehende Empfang bereitet wurde. Danke!
Wolfgang Oelschlägel
Der Reisebericht ist ebenfalls online in unserem Mitglieder-Forum verfügbar, wo ihr die Möglichkeit habt, weitere Fragen zu stellen und Glückwünsche zu hinterlassen.